SC Freiburg: Learning By Doing

Wie der Verein junge Talente über den Fußball mit der Gesellschaft verbindet

Von Luca Wodtke

Der SC Freiburg ist der führende Bundesligist, wenn es darum geht, wie lange er die eigene Jugend in Profispielen spielen lässt. In der Hinrunde der Saison 2017/2018 ließ Freiburg seine Jugend 4938 Minuten in der Liga spielen – mehr als jeder andere der 18 Bundesligisten. Das zeigt, dass Freiburg verstanden hat, dass „Learning-by-Doing“ für junge, engagierte und loyale Menschen, die ihrem Arbeitgeber helfen wollen, essentiell ist.

Auch wenn er nicht direkt aus der Freiburger Jugendakademie kommt, hatte Youngster Roland Sallai großen Anteil am ersten Sieg der Mannschaft in der Saison 2018/2019. Der 21-jährige ungarische Stürmer erzielte in seinem ersten Spiel sein erstes Tor für sein Team und ebnete damit den Weg zum 3:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg.

Doch wie kam das Talent zu einem Verein im Süden Baden-Württembergs? Im Jahr 2009 schloss sich Sallai dem ungarischen Erstliga-Profiverein Videoton FC Szekesfehervar an. Damals geriet der damals 12-Jährige erstmals auf das Radar des SC Freiburg. Auf seinem Weg zum Bundesligisten spielte Sallai unter anderem für europäische Teams wie US Palermo und APOEL Nikosia.

 

Ein erst 21-jähriger Ungar, der für eine süddeutsche Fußballmannschaft Tore schießt – das ist Internationalismus

 

Als Verein, der schon immer dafür bekannt war, bescheiden und akzeptierend zu sein, war es nicht überraschend, dass Trainer Christian Streich seine Meinung zum aktuellen Flüchtlings- und Migrantenstrom nach Deutschland äußerte. Auf einer Pressekonferenz im September sagte Streich, dass er von den Profivereinen der Bundesliga eine aktive Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung erwartet. Ein Mensch ist ein Mensch, egal wo er herkommt.

Nach dieser sehr positiven Grundhaltung gegenüber Integration und Akzeptanz ist es interessant, hinter die Kulissen zu schauen und zu verstehen, wie ein Verein wie der SC Freiburg Spieler willkommen heißt und was getan wird, damit sie sich in dem Land, in dem sie spielen, wohl fühlen.

Hier kommt die pädagogische Leiterin der Fußballakademie des SC Freiburg, Stefanie Nerling, ins Spiel. Sie kümmert sich um eine reibungslose Integration der Spieler in den Verein und in das deutsche Leben und ist seit der Gründung der Fußballschule des SC Freiburg im Jahr 2001 dabei. Sie ist Teil eines 40-köpfigen Teams, das von Profis bis hin zu nebenberuflichen Lehrern reicht, die in ihrer Freizeit Jugendmannschaften trainieren.

Nerling: „Ich habe vor mehr als 20 Jahren angefangen, im Profiteam zu arbeiten und war als freiberuflicher Lehrer für Deutsch als Fremdsprache tätig. Wir haben schnell gesehen, dass Integration nicht nur über den Sprachunterricht läuft. Um richtig bei der Integration zu helfen, wurde ich fest eingestellt, zunächst in Teilzeit als Deutschlehrer und eine Art Integrationsbegleiter.“

Da die Spieler tagtäglich in einem deutschen Umfeld leben und interagieren, lernen die Spieler die Sprache recht schnell. Stefanie Nerling sagt, dass nicht mehr als 2-3 Stunden pro Woche Zeit für den Deutschunterricht zu Hause bleibt. „Die Integration in den Alltag, das Training und die Regeneration nehmen die meiste Zeit in Anspruch. Aber dadurch, dass wir viel mit Videos, Bildern und so weiter machen, ist es auch ohne fließendes Deutsch leicht zu verstehen, was der Trainer erwartet.“

Die Motivation, Deutsch zu lernen, ist da

Ein wichtiger Motivationsfaktor ist das Interesse der Familien der Spieler, die Sprache zu lernen. Vor allem Ehefrauen sind begeistert, oft mehr als ihre Ehemänner. „Wir unterrichten oft Paare gemeinsam. Die meisten Ehefrauen haben, je nachdem, woher sie kommen, keine Arbeitserlaubnis, wenn sie nach Deutschland kommen, also haben sie die Zeit und den Drang, etwas zu lernen und zu tun. Die Frau von Roland Sallai hat zum Beispiel gerade Hefte und Mappen gekauft, um das Lernen zu verbessern.“

Wenn ein Spieler verletzt und demotiviert ist, sagt Stefanie Nerling, dass es wichtig ist, dem Spieler Mut zu machen und sich für ihn zu interessieren, aber dass sie sich niemals in die Entscheidungen des Fußballvereins einmischen könnte – diese Entscheidungen sind nur vom Trainer zu erklären. Was den Unterricht angeht, „ist es wichtig, den Fußball nicht absichtlich zu ignorieren, wenn man die Spieler unterrichtet, aber das aktuelle Spiel muss nicht das Hauptthema jeder Unterrichtsstunde sein. Ich wechsele das Thema nicht zum Wetter, sondern suche mir einfach spielfremde Themen, zum Beispiel die EM-Bewerbung von Deutschland.“

Junger ungarischer Spieler Sallai in Freiburg

In Bezug auf den Umgang mit jungen Menschen, die schon so viel erlebt haben, gibt Stefanie Nerling zu bedenken: „Fußball ist ein Sport, der eine wahnsinnige soziale Bandbreite hat. Manche haben schon viel erlebt, manche kommen aus dem Schwarzwald. Was Roland Sallai betrifft, so war er schon von klein auf sehr selbstständig. Er war im Internat, hat so oft den Verein gewechselt, und er ist attraktiv für andere Mannschaften. Trotzdem ist er sehr sensibel. Er vermittelt nicht das Gefühl, dass er uns einen Gefallen tut, wenn er zu Freiburg, einem Verein im Süden Deutschlands, geht. Aber jeder Mensch ist anders, darauf muss man sich einstellen und vorbereitet sein.“

Als wir mit Stefanie Nerling sprachen, bereitete sie gerade eine ihrer Deutschstunden vor: „Heute Morgen bin ich in der Fußballakademie, aber ich bereite gerade einige Inhalte für Roland Sallai vor. Ich treffe ihn heute Nachmittag zu einer Unterrichtsstunde.“

In seiner bodenständigen Art hat es der SC Freiburg geschafft, sportlichen Erfolg und Ausbildung zu verbinden und seinen Spielern eine reibungslose Integration zu ermöglichen. Das zeigt, dass sie verstanden haben, dass unabhängig vom sportlichen Erfolg die Integration der Schlüssel ist, um sich willkommen zu fühlen.

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